Gestaltung: 3
Größe: 2
Beckenvielfalt: 1
Hygiene: 1
Temperatur: 3
Rutschen: 1
Umkleiden: 4
Personal: 2
Eintritt: 1
Gesamt: 1,9
http://www.bazen-info.cz
In der schönen tschechischen Stadt Liberec (Reichenberg) gibt es neben dem bekannten Centrum Babylon noch ein zweites Bad, die städtische Schwimmhalle – und die macht dem Babylon überraschenderweise durchaus Konkurrenz.
Als ich den Eingangsbereich betreten habe, war mein erster Gedanke jedoch: Oh, haben die etwa zu?
Und mein zweiter Gedanke: Oh Gott, wo bin ich denn hier gelandet? ???
Der Eingangsbereich, die Schränke und Duschen wirken sehr düster und veraltet. Hässliches Wellblech und rotbraune Fliesen haben mich zunächst abgeschreckt.
Zwei Stunden kosten unter 4 Euro, da kann man sich nicht beklagen. Obwohl sehr wenig Betrieb herrschte, waren gleich drei Kassen geöffnet und besetzt: eine Infokasse, eine Kasse zum Erwerben der Eintrittskarten und eine Kasse, wo man sich gegen ca. 4 Euro Pfand ein Vorhängeschloss für die Schränke ausleihen kann.
Umkleidekabinen gibt es leider nicht, dafür ausreichend Schränke. Die sind uralt und machen den Eindruck, als könnte ein muskulöser Mann die Tür inklusive Vorhängeschloss mit einem kräftigen Ruck herausreißen...
Danach wird man freundlich zum Duschen aufgefordert. Und da man offenbar befürchtet, einige Besucher würden dieser Aufforderung trotzdem nicht nachkommen, muss man ein flaches Becken durchwaten, um in die Schwimmhalle zu gelangen. Dort werden plötzlich per Lichtschranke Wasserdüsen an der Seite ausgelöst. Da habe ich mich echt erschrocken.
Für Frauen und Männer gibt es komplett getrennte Umkleiden und Duschen, sie betreten die Schwimmhalle also auch an ganz unterschiedlichen Enden. Ein kleines, miefiges Dampfbad und der Zugang zur Saunalanschaft befinden sich neben den Duschen und sind demzufolge ebenfalls strikt nach Geschlecht getrennt. Auch in der Sauna wird sehr viel Wert auf Anstand gelegt, wie ich auf der Website gelesen habe: Die Saunen sind nach Geschlecht getrennt, lediglich einmal in der Woche zu einer bestimmten Zeit ist gemischtes Saunieren möglich, und zwar nur für Paare.
Eine echte Besonderheit ist der Kinder-Saunabereich für Kinder bis 12 Jahre, inklusive Dampfbad, Sauna, Kaltwasserbecken und Ruheraum. Auch gemischtes Saunieren ist dort offenbar kein Problem.
So, jetzt aber zur Schwimmhalle. Im Mittelpunkt befindet sich ein 50-m-Schwimmbecken mit Startblöcken und Sprungtürmen. Von der Empore ergießen sich Wasserfälle ins Becken, hübsch gemacht. Auch Tribünen dürfen in einem Sportbad natürlich nicht fehlen.
Die Halle ist hell und freundlich. So konnte ich diesem Retro-Bäderstil doch noch etwas abgewinnen.
Hinter den Sprungtürmen befindet sich ein langgezogenes, schön warmes Entspannungsbecken mit Sprudelliegen und Massagedüsen. Es enthält angeblich Salzwasser, aber zu merken ist davon nicht viel. Trotzdem ist es für Kinder unter 12 verboten.
Daneben verläuft ein Kneipp-Gang mit heißem und kaltem Wasser, und hinter dem Entspannungsbecken befindet sich noch ein 25-m-Becken mit Startblöcken.
Von da aus gelangt man noch zum Tauchturm und zu einer Edelstahl-Breitrutsche von Wiegand mit separatem Flachwasserauslauf. Die Breitrutsche stammt aus dem Jahr 2012, ist 3,48 m hoch und 14,4 m lang. Mir kam sie schneller und heftiger vor als andere Rutschen dieses Typs, auf der zweiten Welle kann man auch abheben. Sehr spaßiges Ding!
In einer anderen Ecke verbergen sich noch diese beiden warmen Whirlpools, die immer abwechselnd sprudeln, und dahinter ein kühles Lehrschwimmbecken mit Treppe.
Es ist wirklich ungewöhnlich, dass sich das Bad so stark sowohl auf Sport als auch auf Erlebnis und Entspannung zugeschnitten hat. Für Sportschwimmer ist das Angebot sehr groß. Während ich im Bad war, fand ein Kindergarten-Schwimmkurs statt. In anderen Bädern wird deswegen die ganze Schwimmhalle, das ganze oder zumindest ein Teil des Sportbeckens für die Öffentlichkeit gesperrt. Hier hingegen habe ich kaum etwas davon mitbekommen.
In einem neuen, hellen Anbau befindet sich der Kinderbereich mit einem Spritzpilz, einer Edelstahl-Freirutsche für Kinder und einer Art Baby-Strömungskanal. Ferner befinden sich hier die Ausläufe der Rutschen und der Zugang ins Außenbecken. Bevor das Becken nach draußen führt, gibt es noch ein paar Sprudelliegen.
Das Außenbecken unter den Rutschen wirkt ein wenig eng und gequetscht, ist aber recht vielseitig. Der dortige Strömungskanal ist sehr, sehr schnell. Die Grotte hat keinen Wasserfall, lässt sich aber gut als Selfmade-Wellenbecken benutzen. Ob das beabsichtigt ist, weiß ich nicht. Genau über der Grotte liegt die Kabine des Bademeisters. Durch ein kleines Fenster kann man seine Schuhsohlen sehen.
In einer Ecke und in der Mitte des Strömungskanals liegen weitere Sprudelliegen. Das Wasser, das aus den Düsen kommt, ist etwas wärmer, aber wer richtig entspannen will, sollte sich lieber in die Sprudelbecken drinnen legen. Das Wasser im Außenbecken ist generell zu kühl, im Herbst geht es noch, aber im Winter ist das bestimmt unangenehm.
Und dann bietet die Schwimmhalle von Liberec noch zwei Rutschen, eine rote und eine aus Edelstahl. Sie verlaufen abwechselnd draußen, drinnen und wieder draußen, durchbrechen also zweimal die Wand, ziemlich cool gemacht. Beide Rutschen sind besonders lang und haben nur eine einzige Vollhelix (die rote am Ende, die silberne am Anfang), ansonsten besteht der Verlauf aus Schaukelkurven. Das klingt doch vielversprechend!
Neben dem Anbau führt eine Wendeltreppe hinauf zu den Starts. Die rote Rutsche startet noch auf der Empore. Sie besteht aus Kunststoff, stammt bereits aus dem Jahr 1997, startet in 11 m Höhe und ist 99 m lang. Die außen liegenden Abschnitte sind durchsichtig übertunnelt, der Abschnitt drinnen ist offen. Die Rutsche ist zwar nicht allzu schnell, dafür aber sehr schaukelig. Besonders die engen Zick-Zack-Kurven im Innenbereich sind lustig. Die Fugen sind weniger lustig, eine Neubeschichtung wäre ganz gut. Trotzdem ganz nett, kann man ein paarmal rutschen.
Die Edelstahl-Rutsche von Wiegang stammt aus dem Jahr 2006 und startet in 14,78 m Höhe, in einem großzügigen Raum oben im Rutschenturm, wo auch noch Platz für weitere Rutschenstarts wäre.
Ihre Länge beträgt laut Rutschanleitung 144,8 m. Das Bad rechnet offenbar noch den Auslauf dazu und wirbt mit 150,3 m, damit soll es sich um die „längste Rutsche zwischen München und Moskau“ handeln. Ob das stimmt? Der Wildbach Canyon im Aquapalace Prag misst ja auch etwa 150 m, und wenn man die hintereinanderliegenden Wildbäche im Aquapalace als eine Rutsche sieht, dann ist die Rutsche in Liberec sowieso getoppt.
Auf jeden Fall ist die Rutsche super. Als einzige Rutsche in Liberec (von Breitrutschen mal abgesehen) hat sie keine schlechten Fugen, bei einer Edelstahlrutsche versteht sich das ja von selbst. Die außen liegenden Abschnitte sind als dunkle Röhrenrutsche ausgeführt, der Abschnitt drinnen hat eine durchsichtige Tunnelabdeckung. Im ersten Teil gibt es farbwechselnde Lichtspots, während man wie ein geölter Blitz immer mehr beschleunigt. Im Abschnitt drinnen baut man das Tempo wieder etwas ab, während man wild hin- und herschwingt und sogar an die Begrenzung der Tunnelabdeckung stößt. Der letzte Röhrenteil ist immer noch recht schnell und hat weiße Lichtspots.
Ganz egal, ob das mit dem Rekord zwischen München und Moskau stimmt – auf jeden Fall dürfte das nicht nur eine der längsten, sondern auch mindestens die zweitbeste aller „gewöhnlichen“ Tunnel- und Röhrenrutschen in Tschechien sein. Die Edelstahlröhre in Uherské Hradiště ist ähnlich schnell, hat aber noch ein paar heftigere Richtungswechsel. Auch unter allen Edelstahlrutschen insgesamt nimmt die Rutsche in Liberec sicherlich einen hohen Rang ein.
Fazit: Für Sportschwimmer und Rutscher ist der Bazén Liberec bestens geeignet, die Edelstahlrutsche ist wirklich große Klasse und besser als die Rutschen im benachbarten Babylon. Auch Familien haben hier einen schönen Kinderbereich und als Besonderheit die Kindersauna, allerdings dürfte der Aquapark Babylon mit seiner umwerfenden Gestaltung für sie noch attraktiver sein.