Vor nicht ganz zwei Wochen fand in London eine Konferenz statt, die ich von Dienst wegen besuchte, und ich dachte mir, wenn ich schonmal da bin, hänge ich noch ein paar Tage Urlaub auf eigene Kosten dran. So geschah es auch, dass ich zweimal den Thorpe Park bei Staines besuchte. Der Park ist ja unter den Freizeitparkfans recht umstritten, und auch ich bekam Licht und Schatten mit, aber die neuesten Berichte, die ich bei onride finden konnte, waren aus dem Jahr 2013 und ich wollte mir ein eigenes Bild davon machen. Zudem lockten mich die Achterbahnen dort doch sehr und ich war seit 2008 in keinem Freizeitpark mehr gewesen.
Beim Eintritt machte ich so ziemlich alles falsch, da ich mich erst recht spontan für die Besuche entschied und an der Tageskasse die teuren Karten kaufte. Beim nächsten Mal weiß ich das besser...
Sehr positiv fiel mir schon am Eingang die Ehrlichkeit der Briten auf. Beim Wing Coaster "The Swarm" gab es am zweiten Tag technische Probleme, und da man noch nicht wusste, ob und wann man ihn repariert bekommt, stand am Eingang vorsorglich schon dran "The Swarm will be unavailable today". Ich wünsche mir vor allem in großen und bekannten deutschen Parks/Bädern auch so eine Praxis, und zwar als Standard. Auch wenn man das Personal irgendetwas fragte - egal ob das ein Ride-Op oder eine Reinigungskraft bei den Toiletten war - gab es stets freundliche und hilfreiche Antworten. Wenn jemand etwas nicht wusste, klärte er das umgehend mit einem anderen Mitarbeiter per Funkgerät. An diesem Tag öffnete der Swarm tatsächlich noch, und das wurde auf den LED-Anzeigen im Park prominent publiziert - zuerst stand da "Unavailable", etwas später "Coming soon" und gegen Mittag fuhr die Bahn.
Den größten Reibach, so vermute ich, machen solche Freizeitziele wohl mit Getränken, aber auch hier gibt es mit den "Hydration Stations" ein geniales und nicht allzu teures Konzept. Für 6 Pfund kann man eine Art "Wanderflasche" kaufen, einen stabilen Plastebecher mit Deckel und Trinkhalm, den man sich während des gesamten Besuchstages mit den Coca-Cola-Standard-Softdrinks wieder auffüllen lassen kann. Ich hätte mir zwar auch andere Getränke gewünscht, aber zum Durst löschen eignet sich kalte Diet Coke recht gut (im Ernst, ich mag die zuckerfreie Cola am liebsten, weil die nicht ganz so pappsüß ist).
Allerdings gab es auch weniger positive Erlebnisse, bzw. welche, die ich mit gemischten Gefühlen wahr nahm - denn jede Medaille hat zwei Seiten. Am Montag, dem 6. Juni, hatten viele Schulen noch "bewegliche Ferientage", so dass es recht voll war. Die Wartezeiten lagen von 30min bei den Flat Rides bis etwa 60-70min bei den Achterbahnen. Dabei wurde recht spät ein zweiter Zug eingesetzt. Zusammen mit den sehr beschränkten Öffnungszeiten von 10 bis 17 Uhr (Ich finde, solche Attraktionen sollten mindestens bis 19 oder gar 20 Uhr geöffnet haben) drängte das einige, mich eingeschlossen, dazu, nochmal kräftig die Kreditkarte zu zücken für einen Fast Pass, damit sich das lohnte, kaufte ich gleich einen ganz großen für unbegrenzte Fahrten auf allen Fahrgeschäften. Ich vermute, dass heutzutage für den Park Fast Pässe die neuen Getränke sind. Aber naja, man gönnt sich ja sonst nix...
Nun aber mein Eindruck zu den Fahrgeschäften:
Colossus:
Wohl die bekannteste Achterbahn des Parks. Ein Intamin-Looper mit 10 Inversionen. Ich finde, das Ding ist überbewertet. Vom Charakter her ein überdimensionierter "Big Loop". Es geht einfach hoch, runter und dann spult er die 10 Überschläge ab. Der Anfang ist noch recht gut - der klassische Vertikallooping, immer noch mein Lieblingselement, eine Cobra Roll, auch gut, und zwei Korkenzieher, auch OK. Danach mutet die Fahrt nur noch an wie "Wir müssen dringend irgendwie 10 Inversionen vollkriegen". Die vier Heartline-Rolls sind einfach zu viel und ab der zweiten wird es langweilig. Einzig die langsame Heartline kurz vor der Stationsbremse ist nochmal ein Lichtblick. Hier wäre weniger mehr gewesen, vor allem durch das naturnahe Setting. Die Briten sind ja eigentlich Meister in Parklandschaften, und das hätte man ausnutzen können. Eine Helix mit um sich gedrehter Schiene einmal unter dem Fußweg durch, dort wo die vier Heartlines sind, hätte ich hier sehr gefeiert. Aber ich will nicht nur meckern, denn im Gesamtpaket ist es eine solide Durchschnittsachterbahn, die mir zwischendurch doch immer mal wieder Spaß gemacht hat.
Allerdings ist die Bahn mittlerweile wieder eine derbe Rappelkiste. Egal wo man sitzt, das Ding verteilt Schläge wie die schlimmsten Vekoma-Boomerangs.
Saw - The Ride:
Ich halte nichts von dieser Filmreihe, was aber daran liegt, dass ich generell keine Horrorfilme mag. Aber einen Eurofighter lasse ich nicht stehen, zumal es mein erster sein sollte (ich erwähnte bereits: Ich war seit 2008 in keinem Freizeitpark mehr). Die Fahrt macht ihrem Namen alle Ehre, da es in den Saw-Filmen ja um schmerzhafte Folter geht. Der Anfang ist noch recht ruhig, hier ist es ein recht schneller und auch spaßiger Dark Ride mit einigen Überraschungen, die ich hier wegen fehlender Spoilermarkierung nicht verrate. Danach geht es den Vertikallift herauf und die Qual beginnt erst richtig. Nach dem First Drop teilt die Bahn ordentlich aus, und zwar egal, ob man vorn oder hinten sitzt. Man bekommt Schläge über Schläge. Lehnt man den Kopf richtig an, wie man lt. Hinweisschildern soll, tanzt er wie eine Billardkugel zwischen den harten Schulterbügeln, lehnt man sich etwas nach vorn, wird man wegen der starken G-Kräfte mit "schönem" Nacken-Ziehen belohnt. Das Layout selbst fand ich hingegen klasse, und dafür nahm ich diese Torturen häufig und gern in Kauf. Die engen Wendungen und sehr abrupt und hart kommenden Überschläge habe ich so immens gefeiert. Und nach einigen Fahrten konstatierte ich: So muss für mich eine gute Achterbahn sein - roh, hart und intensiv. Ich wage mir zu behaupten, dass mir sogar Goudurix gefallen würde. Für mich trotz der Schmerzen eine Top-Bahn. Ich behaupte sogar, dass ein Eurofighter so rappelig sein muss, würde er sich "weich" fahren, dann würde mir bei diesem Bahntyp etwas fehlen.
Nemesis Inferno:
Mein erster B&M Inverter. Es wird immer gesagt, B&Ms wären so butterweich, was diese Bahn absolut nicht von sich behaupten kann. Es kamen im späteren Verlauf zwei Züge zum Einsatz, die unterschiedlich gut in Schuss waren. Der eine wahr recht angenehm zu fahren, während der andere eine üble Rappelkiste war und ich dachte, ich würde einen Vekoma SLC fahren.
Auch hier gefiel mir das Setting mit Kunstfelsen und Dschungeltheming. Einfach, aber wirkungsvoll. Nach der Station geht es erst einmal recht flott durch einen Vulkan mit kühlem Wassernebel, bevor dann der Lift und die eigentliche Fahrstrecke anfängt. Mein Lieblingselement war hier wieder der klassische Looping, der bei einem Inverted Coaster IMHO noch viel wirkungsvoller ist als bei einem normalen, weil man plötzlich abrupt nach oben gezogen wird, in der Front Row dazu noch mit ordentlichen G-Kräften. Die anderen Überschläge waren in sich verschlungene Korkenzieher. Auch dieses Element kommt bei einem Inverter viel eindrucksvoller. Vom Theming bekommt man durch das B&M-untypische hektische Layout mit vielen engen Kurven beim Fahren kaum was mit, und da man von außen die Fahrstrecke kaum nachvollziehen kann, ist jede Fahrt wieder ein Abenteuer aufs neue. Eine schöne Bahn, die die längsten Wartezeiten hatte. Hier war ein Fast Pass bitter nötig.
Stealth:
Vom Layout nicht unbedingt einfallsreich, aber die Attraktion hier ist sowieso nur der Abschuss und der Top Hat. Auch wenn die Bahn lt. Berichten "entschärft" wurde: eines meiner Lieblingsfahrgeschäfte. Der Abschuss ist jedes Mal aufs neue ein Erlebnis und wurde zumindest mir nie langweilig. Auf dem Top Hat hatte man für kurze Zeit eine tolle Aussicht auf den ganzen Park, bevor es wieder senkrecht herunter ging. Leider befindet sich auf dem Camelback dahinter bereits die Blockbremse. Im Heide Park gefällt mir das Layout von Desert Race gut, wobei mir dort der Top Hat fehlt. Man hätte beide Bahnen kombinieren sollen - erst der Abschuss über den Top Hat, dann der Camel Back und dann eine Desert Race-ähnliche Strecke.
The Swarm:
Die Bahn der Gegensätze. Auch hier wieder: Ich fand sie klasse, wohl weil es meine erste dieser Art war. Das katastrophenfilm-artige Theming passte gut zur Anlage, und diese Bahn fuhr sich tatsächlich so butterweich, wie man das bei B&Ms immer wieder liest. Besonders wenn man auf den äußeren Sitzen Platz nimmt, hat man immer das Gefühl, zu fliegen. Die Bahn sieht von unten spektakulärer aus, ich würde sie fast als familientauglich bezeichnen, da die Überschläge zwar recht langsam kommen, aber so berechnet sind, dass man recht wenig umhergeschüttelt wird. Auch wenn ich Nemesis und Saw viel intensiver fand: The Swarm bin ich am meisten gefahren. Anfangs fand ich ihn eher durchschnittlich, aber hier "kam der Appetit beim essen". Ich muss jetzt dringend mal in den Heide-Park fahren und den Swarm mit dem Flug der Dämonen vergleichen.
Bei den Flat Rides gefiel mir der "Slammer" am besten, da er vom Fahrgefühl stark an den Booster Maxxx von Denies Hoefnagels erinnerte, der einmal auf dem Freimarkt war und sich seitdem leider nicht mehr zu uns verirrte. Aber auch einige Kindheitserinnerungen wurden beim Teetassenkarussell und der Enterprise "Zodiac" wach.
Es gibt auch drei Wasserrutschen bis ca. 50m Länge, die aber leider ausschließlich für Kinder vorgesehen sind und von Erwachsenen nicht benutzt werden dürfen. Schade, aber verständlich, da der Thorpe Park ja fast ausschließlich Thrill Rides hat. Viele der Zielgruppe haben auch jüngere Kinder und für die muss es auch etwas geben, wo sie "unter sich" sein können. Trotzdem sollte der Park in eine große Variante dieses Kinderwasserparks investieren. Und wenn man primär alte Rutschen aus Bädern aufkauft, die geschlossen oder zu Sport- und Wellness-Anlagen zurück gebaut wurden. Gerade die alten Rutschen sind ja oftmals viel intensiver als die neuen. Ein Wasserpark mit Rutschen wie denen aus dem Monte Mare Rengsdorf, Aquadrom Bad Urach, Spaßbad Pappelsee, etc., etwas aufgearbeitet, dazu noch ein paar Kapazitätsmonster wie Magic Eyes und ein paar heftige Kamikazes wie die Stukas, würde diesem Park gut zu Gesichte stehen. Platz wäre hinter "The Swarm", wo man das Katastrophen- und Ruinen-Thema weiter verwenden könnte, was dann auch zum Konzept "Aufarbeitung alter Wasserrutschen aus geschlossenen Bädern" passen würde.
Alles in allem mal wieder schön, nach so vielen Jahren wieder einen Freizeitpark zu besuchen und ich hatte echt bemerkt, dass mir die ganzen Jahre doch etwas fehlte. Ich sollte in Zukunft zumindest einigermaßen erreichbare Parks wie das Rasti-Land oder den Heide-Park hin und wieder mal besuchen. Trotzdem können unsere deutschen Parks von den Briten etwas lernen, und zwar: Erreichbarkeit mit ÖPNV! Es ist ein Unding, dass man für den Heide-Park erst mit einer langsamen Nebenbahn, die nur alle zwei Stunden fährt, an den A... der Welt nach Wolterdingen tuckern muss, um dann einen so dermaßen unmöglichen Bus zu erwischen, wo der vorletzte bereits vor Parkschließung fährt und der letzte so, dass man mit dem Zug nur noch bis Hannover oder Hamburg kommt, aber es schon eine solche vorgerückte Stunde ist, dass man auf die letzten Spätabend-Züge hoffen muss, um weiter zu kommen. Es wurde ja bei der Einführung der Erixx-Bahn bereits gesagt, dass das Heidekreuz vorwiegend im Freizeitverkehr benutzt wird. Warum setzt man dann nicht ein paar Busse ab Soltau statt Wolterdingen ein, wo sich die beiden ursprünglichen Erixx-Strecken Bremen - Uelzen und Hannover - Buchholz kreuzen, die dann so abgestimmt sind, dass sie an den Fahrplan der Züge angepasst sind? Und auch die Fahrzeiten des Erixx nach Bremen sind unterirdisch. 18:06 der vorletzte und 20:06 der letzte. Warum nicht 19:06 noch einen, der die Heide-Park-Besucher nach Hause bringt?
Beim Thorpe Park hingegen fuhr ab ca. 16 Uhr alle 10 Minuten ein Linienbus zum Bahnhof Staines, von wo aus alle 5 Minuten Züge über Richmond nach London Waterloo und ca. alle 15 Minuten in Richtung Reading fuhren.