Der Plan meiner Schulung hatte sich kurzfristig etwas geändert, und so hatte ich heute ab 12 Uhr frei. Ich sah, dass ich es schaffen konnte, gegen 14 Uhr am Océade zu sein, und bei der heutigen Öffnung bis 18 Uhr dachte ich, das reicht noch zumindest um noch nach Herzenslust zu rutschen.
Zuerst überlegte ich mir, was die in Brüssel, der Europahauptstadt rauchen, um auf so bescheuerte Öffnungszeiten zu kommen - Freitags, wo die meisten den nächsten Tag frei haben, das größte Bad Belgiens um 18 Uhr zu schließen geht GAR NICHT, auch wenn die Öffnungszeiten von Bädern in BeNeLux allgemein etwas seltsam sind. 20 Uhr müsste es wenigstens sein. Aber das sollte nicht mein Problem sein, warum: lest weiter.
Ich war tatsächlich kurz nach 14 Uhr am Océade, was bei den belgischen öffentlichen Verkehrsmitteln ein kleines Wunder ist - der Bus fuhr bereits mit einiger Verspätung am Bahnhof Brüssel-Nord ein, und zwischendurch meinte der Fahrer bei der Hitze, einfach mal kurz zu stoppen, in einen Spätverkauf zu gehen und sich eine Cola zu holen. Darüber hinaus war natürlich durchgehend "rote Welle", aber nachdem, was ich von meinem kurzen Ritt durch Brüssel erfahren konnte, passte das gut zu dem Bild, das ich von dieser Stadt bekommen konnte. Um es kurz und höflich zu sagen: Dies ist keine Stadt, in der ich leben möchte. Dann lieber in Leuven, diese Stadt ist wirklich eine Schönheit. Und ja, bei Städten zählt der erste Eindruck bei mir immer ganz besonders.
Nun gut, aber ich bin nicht zum Sightseeing hier, sondern zum rutschen, also flugs den kurzen Fußweg hinauf zum Océade und mich erst einmal in die lange Warteschlange angestellt, die von einer einzigen(!) Kassiererin bearbeitet wurde. Unglücklicherweise war auch eine Schulklasse vor mir, so dass sich das ganze noch etwas in die Länge zog. Bei 18,20 Euro für 4 Stunden erwarte ich, dass bei einem solchen Andrang mehr Kassen offen sind.
Irgendwann war ich dann aber auch im Bad, und zum Glück war es gegen halb drei noch nicht so extrem voll. An den Rutschen war relativ wenig Wartezeit, Reifen waren in rauen Mengen vorhanden, und auch so war die Atmosphäre ganz OK. Mich erinnerte das Bad etwas ans Arriba Norderstedt.
Die Rutschen an sich waren auch nicht schlecht - allerdings lange nicht so gut, wie man in einschlägigen Berichten lesen kann. Das sind ganz normale "New Generation" Helixgeschwurbel-Rutschen, bei denen man sich ständig denkt: "Kommt jetzt noch was, oder zieht sich das weiter so hin?"
Die L'Ouragan, auf die ich am meisten gespannt war, weil die ja den Verlauf einer ehemaligen Promoplast hat, war dann prompt die Enttäuschung schlechthin. Ja, sie hat recht nette G-Kräfte und ja, sie ist schnell. Aber das war es auch. Bessere Turbos stehen z.B. in Göttingen, Brand oder Peine.
Die Cameleon hat mir von den Rutschen innen noch am besten gefallen. Das beste Effektprogramm war hier "Flash Light", da hier der erste Richtungswechsel recht unerwartet und hart kommt und dies durch das Blinken verstärkt wird. Aber ansonsten ist Van Egdoms Interactive Disco System nicht unbedingt etwas, wofür man in das Bad gehen muss. Man bestimmt eigentlich nur die Farben der LED-Beleuchtung, und das war's. Im Badehaus Nordhausen ist sowas klasse, aber beim Océade erwarte ich eher etwas auf Thunderbird-Niveau analog H2O.
Die Anaconda halte ich für GFK-Verschwendung. Man schwurbelt die ganze Zeit immer nur in einer rieeeeeesigen Helix... *schnarch*... und am Ende kommt mal ein einziger Richtungswechsel. OK, es ist noch ein Jump drin, aber hier muss ich mal eine Lanze fürs AquaMagis brechen, der Captain's Canyon ist definitiv die beste Magic Eye (gilt auch für Derivate), die ich bisher kenne. Hier hätte man mehr draus machen können.
Bounty Raft ist nichts anderes als Cameleon ohne Lichteffekte mit Reifen, der Plumpsauslauf wäre hier das große Plus, allerdings merkt man davon bei einer Reifenrutsche nichts. Man sollte diese Bahn auch ohne Reifen zulassen, dann könnte die ganz gut sein.
Im Außenbereich die Rutschen waren dann ein kleiner Lichtblick. Die Cannonballs haben mir wirklich gut gefallen, das waren neben der Cameleon meine Lieblingsrutschen des Bads. Die Salto Angel war auch ganz nett, mit der richtigen Technik kann man auf der Welle abheben, wird brutal schnell und surft wirklich bis zum Ende des Landebeckens. Die Fugen waren nach meinem Dafürhalten in Ordnung, entweder man hat ausgebessert oder ich bin wirklich hart im Nehmen.
Das Bad an sich ist ganz nett um einen Nachmittag zu verbringen, aber völlig verhagelt hat mir die Stimmung das später hinzugekommene Publikum. Einen so hohen "Ey konkret krass alter" Faktor habe ich bisher nur im Sommerbad Pankow, im Freibad Grünhöfe und im Freizeitbad Vegesack erleben "dürfen". Wenn man blöd auf französisch angemacht wird, wer weiß warum (hab nix verstanden...) und die einzige "Verständigungsart" der Badegäste aus Grölen besteht, und zwar auf die Art, wenn Werder gegen den HSV spielt, dann ist das kein schönes Badeerlebnis. Und so flüchtete ich nach knapp zwei Stunden und nahm den nächsten Zug Richtung Sint Truiden.
Dort gibt es nämlich das "Recreatiezwembad Sint Pieter", das als kleines wenig bekanntes Stadtbad vermutlich eher meinem Geschmack entsprechen sollte. Und so war es dann auch. Auch dieses Bad hat seltsame Öffnungszeiten - es war bis 22 Uhr geöffnet, das Erlebnisbecken mit Rutsche aber erst ab 18 Uhr. Da das sowieso die Zeit war, zu der ich da sein sollte, war mir das aber Recht. Planmäßige Ankunftszeit des Zuges war 18:15, er hatte aber 15min Verspätung wegen eines Defekts an der Lok, da hatte ich bei einem solchen Verspätungsgrund nochmal Glück gehabt.
Das Bad liegt etwa 1km entfernt vom Bahn-Haltepunkt Sint Truiden, und sieht von außen recht unspektakulär aus. Den Eingang erreicht man in der 1. Etage, hier muss man auch den recht günstigen Eintrittspreis von 5,50 Euro bezahlen. Als Badekleidung sind auch Shorts zugelassen, wenn sie keine Taschen haben und oberhalb der Knien enden.
Es handelt sich um ein gewöhnliches Sportbad mit 25-Meter-Mehrzweckbecken, das bei meinem Besuch großteils von Vereinen genutzt wurde, und einem kleinen Erlebnisbecken, das hauptsächlich aus einem Strömungskanal besteht, der allerdings relativ stark ist, und durch einen Wasserfall führt. Wenn die Atmosphäre auch eher an eine Schwimmhalle anmutet, mit dem weißen Kachel"design" überall, hat man sich hier doch Mühe gegeben, die vorhandenen Ressourcen schön in Szene zu setzen.
Es gibt normalerweise auch ein Außenbecken, das bei den heutigen 35 Grad in der Region willkommen gewesen wäre, aber das war wegen Sanierungsarbeiten gesperrt.
Zum Glück waren die Rutschen offen. Es gibt eine kurze Breitrutsche, die in etwa so lang und fast so steil ist wie die alte am Weißenhäuser Strand. Die andere Rutsche war mein Besuchsgrund: Eine VE700, aufgebaut durch Aquatic NV. Eine Längenangabe war nirgendwo zu finden, ich schätze sie aber auf etwa 50m bei etwa 5m Höhe. Und diese Rutsche ist besser, als man es vermutet. Nach dem Start geht es in eine lange Gerade zum Speed sammeln, danach durchbricht die Rutsche die Hallenwand und schlängelt sich draußen in einer Rechts-Links-Rechts-Kombination entlang. Der Tunnel wurde hier lichtundurchlässig gemacht, so dass das hier eine Black Hole im wahrsten Sinne des Wortes ist. Entsprechend unerwartet kommen die Richtungswechsel, wenn sie auch nicht wirklich hart sind. Die Bahn kommt dann kurz zurück in die Halle, wo sie für eine 90-Grad-Rechtskurve wieder als offene Halbschale verläuft. Dann folgt das beste Stück: Es geht wieder nach draußen und wird wieder pechschwarz, und hier gibt es eine durch eine kurze Gerade unterbrochene Dreiviertelhelix nach links. Hier kann man mit Dreipunkttechnik so umhergeschlendert werden, dass man von der Bahn abhebt. Ihr Ende findet die Rutschfahrt dann via Sofaauslauf in einem etwa knietiefen Becken. Das war mutmaßlich einmal ein Plumpsauslauf. Bei der geringen Beckentiefe akzeptiere ich aber eine solche Umrüstung.
Die Atmosphäre hat mir in diesem Bad richtig gut gefallen, das Publikum war wirklich angenehm (mit ein paar Ausreißern, aber lange nicht so schlimm wie im Océade) und das Personal war auch richtig nett. Ein Detail: Im Sint Pieter war es problemlos möglich, sich auf englisch und teilweise sogar auf deutsch(!) zu verständigen, während das Personal im Océade höchstens ein paar Brocken Englisch sprach, wenn überhaupt.
Mein Fazit: Im Océade habe ich heute alles gesehen und muss nicht unbedingt nochmal hin. Das Sint Pieter und die Sportoase hingegen sind Bäder, die ganz oben auf meiner "Möchte ich mal wieder besuchen" Liste stehen und zu einer Belgien-Tour in dieser Region dazu gehören.